Umweltschutz ist so komplex, dass ich einen viel komplexeren Text fabrizieren müsste mit viel mehr philosophischer Korrektheit. Ich kenne mich nicht hinreichend aus mit Philosophie oder Psychologie und der Aufwand für so einen Blogbeitrag wäre mir gerade zu viel. Deshalb hier ein paar halbdurchdachte Gedanken, folgend einem Frühstücksgespräch über alles Mögliche, worüber mensch so spricht, wenn die Umwelt zur Sprache kommt.
Heute war ich mit sehr lieben Menschen frühstücken, sogar vegan für mich. Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch über Umweltpsychologie. Bin so verliebt in dieses Fach. Jedenfalls habe ich einiges erzählt und bin mir meiner eigenen Werte mehr bewusst geworden, was mich irgendwie optimistisch stimmt. Wir haben darüber geredet, wie schwierig es ist, andere für umweltschutzbezogene Ziele zu begeistern, wenn für diese solche Werte nicht so wichtig oder in ihrer Heimatkultur nicht so verankert sind. Da kamen Beispiele von nahestehenden Menschen zur Sprache, die wir schon oft für Umweltthemen zu sensibilisieren versuchten, was diese allerdings abwehren. Mir ist dazu vieles eingefallen, allem voran, dass ich mir wünsche, dass das Thema Umweltschutz anders vermittelt wird. Viele assoziieren es mit Verzicht und unbequemen Handlungen, dem Abweichen von der uns umgebenden sozialen Norm (als „Öko“ schief angeschaut werden) oder hohen finanziellen Kosten. Ganz besonders ungünstig finde ich, dass Umweltschutz mit moralischem Druck assoziiert wird: Ach ja, jetzt kriege ich wieder vorgehalten, wie schlecht das alles ist, was ich tue. Oder in Richtung „was will man mir jetzt wieder verbieten/was darf ich denn noch“. Dabei geht es gar nicht darum, einen Menschen aufgrund dessen zu verurteilen, dass manche seiner Handlungen umweltschädlich sind. Schon gar nicht sollte mensch diese einzelnen Handlungen für ein pauschales Werturteil über die gesamte Person heranziehen.
Wir alle zeigen Verhaltensweisen, die mehr oder weniger umweltschädlich sind – das müssen wir mit klaren Augen erfassen und akzeptieren (akzeptieren im Sinne der Achtsamkeit, also nicht hinnehmen) und können so lernen, damit zu arbeiten. Es nützt nichts, mir vorzugaukeln, ich sei ein rundum ökologisch korrekt handelnder Mensch. Dafür ist die Wirklichkeit zu komplex. Illusionen nachzuhängen (wenn auch aus dem nachvollziehbaren Grund, unser Selbstbild aufzuwerten) behindert uns darin, uns zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass Menschen, wenn sie sich nicht verurteilt fühlen – sondern so wertgeschätzt, wie sie in dem Moment gerade sind – viel eher offen sind für neue Sichtweisen und Impulse. Wertschätzung und eine akzeptierende, milde und verständnisvolle Haltung gegenüber menschlichen Schwächen und Bedürfnissen helfen, die Reaktanz (ein Fachwort für „Trotz“) zu mindern. Und Umweltschutz geht letztendlich nur in Zusammenarbeit! Zumindest auf individueller Ebene und wenn keine böse Absicht oder offensichtlich unmoralisches Verhalten dahinterstecken. Dann, bei letzterem, sollte man, finde ich, deutlicher werden und klare Grenzen setzen. Ansonsten kann ich mir gut vorstellen, das so ähnlich wie in der sokratischen Gesprächsführung zu machen: Miteinander reden, in dem Wissen, dass wir nichts wissen – und einander deshalb keine Erkenntnisse aufzwängen, sondern sie selbst machen lassen. Anders funktioniert es auch kaum. Denn das, was wir (ich rede von „wir“ als der Community der Umwelt-Aktiven) gut und richtig finden – der Umweltschutz – ist nun einmal nicht in jedem Wertesystem an erster Stelle, und haben wir das Recht zu sagen, unser Wertesystem sei das bessere? Gute Frage. Denn objektiv betrachtet kommt Umweltschutz, die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen, allen zu Gute und vermeidet unnötiges Leiden, was nach Sicht der meisten Konsens ist – wollen nicht alle das Gute mehren und Leiden vermeiden? Hinzu kommt die von vielen Umwelt-Aktiven empfundene Dringlichkeit der anzugehenden Probleme.
Aber ich denke, wenn wir mit Menschen über Umweltschutz reden, ist es ein bisschen wie bei einer Verhaltenstherapie: nicht eine Seite hat die Weisheit mit Löffeln gefressen und kann die Wahrheit für sich beanspruchen. Nehmen wir an, wir begegnen einer Person, die sich selbst Schaden zufügt – haben wir mehr Recht als sie, wenn wir ihr sagen, sie darf das nicht? Ich merke gerade, dass die Frage komplizierter ist, als ich dachte. Denn wo hört die Verantwortung füreinander auf bzw. wo fängt sie an? Ein Therapeut lässt die Verantwortung für all das Leiden, das der Patient ertragen muss, bei diesem (korrigiert mich, wenn das nicht stimmt); was aber, wenn sich jemand das Leben nehmen will? (Heikles Thema, tut mir Leid.) Dann tendieren wir dazu, doch Verantwortung für einander zu übernehmen, um den anderen vor sich selbst zu schützen. Wir sind uns einig – in diesem Fall sind wir sogar verpflichtet dazu. Auch wenn jemand eine Gefahr für andere Menschen darstellt, greifen wir ein und übernehmen Verantwortung für den Zustand eines anderen bzw. für fremdes Verhalten. Wie sieht das nun beim Umweltschutz aus? Durch umweltschädigendes Verhalten fügen wir sowohl uns selbst als auch anderen Schaden zu, wenn auch dies sehr abstrakt und in langen Ereignissen in komplexen Interaktionen geschieht, beim Klimawandel etwa. Aber nun ja, Menschen sind auf die Natur angewiesen, da mensch Geld nicht essen kann… und WLAN nicht trinken. Wären diese Interaktionsketten weniger komplex, wäre auch der Umweltschutz viel präsenter, direkter, persönlicher. In der Realität müssen wir bei den meisten Umweltproblemen mit dem Phänomen der psychologischen Distanzen kämpfen. Der Schaden, den ich mir selbst zufüge, kommt in ferner Zukunft (allerdings innerhalb meiner Lebenszeit) und hat auf den ersten Blick wenig zu tun mit der Handlung, die diesen Schaden ausgelöst hat. Auch der Schaden für andere Personen ist nicht gleich erkennbar oder erfahrbar, da wir diese Personen nicht kennen und nie mit ihnen interagiert haben. Wie kann ich mich dann verantwortlich, schuldig fühlen? Ich habe dem Inselbewohner, dessen Heimat vom Klimawandel bedroht ist, schließlich nicht absichtlich etwas Böses getan! Niemand will sich selbst als unmoralisch ansehen – und nein, wir sind ja auch keine bösen Menschen. Trotzdem sollten wir für die Folgen unseren Handelns einstehen. Auch wenn es niemanden gibt, der uns für umweltschädliches Verhalten bestraft oder für umweltschützendes Verhalten belohnt (schwierig, was?).
Aber sind wir jetzt moralisch verpflichtet, einander zu umweltschützendem Handeln zu bewegen? Wenn wir diese Distanzen, die Indirektheit und Mittelbarkeit umweltschädigenden Verhaltens ausklammern, bleibt die Bedingung, nach der man ausnahmsweise Verantwortung für fremdes Verhalten übernehmen sollte, doch erfüllt, oder? Wie wir mit unserem eigenen Leben umgehen, ist unsere Sache, ob wir nun Pestizide im Garten versprühen und unsere Gesundheit gefährden, beispielsweise – doch es geht eben nicht nur um das Ökosystem unseres eigenen Körpers, sondern um die Umwelt, die wir mit unseren Mitmenschen teilen. Nun ja… kompliziert ist das. Es ist eine ganz besondere Form des anderen Schadens. Weil es nicht absichtlich oder bewusst geschieht, also es ist kein dysfunktionales Wertekonzept (oft jedenfalls), das den Schaden verursacht. Eingreifen, ja oder nein? Auf all diese Fragen habe ich gegenwärtig keine, jedenfalls keine einfache Antwort. Was ich sehe, ist einerseits, dass unglaublich viele Menschen unglaublich inspirierende Ideen in die Tat umsetzen und Umweltschutz auf positive Art an die Menschen heranbringen. Andererseits gibt es viele Menschen, die sehr betroffen sind angesichts all der unfassbaren ökologischen Missstände, die wir auf der Erde beobachten. Da kommen Gedanken auf, Wut über die Ignoranz unserer Mitmenschen, Wut über irrationale Politik, Verzweiflung über die Dringlichkeit, diese Probleme zu lösen, weil manche Zerstörung unwiederbringlich erscheint, weil manche Entwicklung noch aufzuhalten wäre. Wohin mit all diesen emotionalen Turbulenzen?
Viele entscheiden sich, zu handeln, Taten statt Warten, irgendetwas tun, anfangen, auch wenn es zunächst kleine Schritte sind. Was ich manchmal beobachte, ist, dass diese guten Absichten, auch die Mitmenschen für mehr Umweltschutz zu begeistern, in Handlungen münden, die nicht das erreichen, was sie sollten. Jemandem klar zu machen, dass das eigene Verhalten irgendwie schädlich ist, ist einfach eine heikle Angelegenheit. Mir fällt aber auch ein, dass Menschen auch ohne diesen Hinweis von außen auf den Geschmack kommen können, etwas zu tun, was der Umwelt nützt: Wenn wir zusammen gärtnern, um der erstickenden betongrauen Enge der Stadt zu entkommen. Wenn wir etwas schönes kochen, ohne zu wissen, dass es vegan ist. Umweltschutz aus moralisch-altruistischen Motiven heraus ist also nur ein Aspekt von Vielen, die eine positive Verhaltensänderung bewirken. Mit allen Aspekten zugleich beschäftigt sich die Umweltpsychologie, weshalb ich diese Forschungsrichtung einfach nur unglaublich spannend finde. Wie gesagt, zu viel für einen Beitrag. Kommt aber noch. An meine Mit-Ökos: Lasst euch nicht unterkriegen und schaut euch immer wieder an, was andere Menschen für wundervolle Projekte gestartet haben. Das ist gut für das Selbstwirksamkeitsempfinden.
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