Es gibt viele Dinge, die ich gerne so richtig gut können würde. Zum Beispiel: Über den Klimawandel reden, ohne mich unbeliebt zu machen. Oder unterschätze ich mich da gerade? Schauen wir mal.

Wo liegt eigentlich das Problem, wenn ich mit Leuten über den Klimawandel rede? Nun ja, zuerst einmal, meistens bin ich es, die davon anfängt. Ich frage mich: Warum reden wir eigentlich so wenig darüber? Ich bin neugierig und scheue auch Tabuthemen nicht, wenn mich interessiert, was anderen dazu durch den Kopf geht. Kann sein, dass der Klimawandel nicht besonders interessant ist und deshalb kein beliebtes Small-Talk-Thema, denn ein Tabuthema ist er schließlich nicht.

Warum bloß nicht interessant – es geht doch um unseren Planeten, auf dem sich die Lebensbedingungen während unserer noch zu erlebenden Lebensspanne spürbar verändern werden! Okay, Menschen interessieren sich auch kaum für die DNA, aus der sie aufgebaut sind. Das ist aber was anderes, die funktioniert ja auch von allein, ohne uns groß dafür zu brauchen. Das Klima allerdings wird sich irgendwann in seiner Wandlung in unserem Alltag bemerkbar machen. Über andere Dinge, die unseren Alltag vielleicht in derselben Distanz beeinflussen, reden wir dagegen sehr viel. Zum Beispiel über das Staatsoberhaupt eines anderen Landes, das ganz eventuell irgendein Gesetz erlassen könnte, das uns dann auch betrifft. Liegt es daran, dass die meisten Menschen andere Menschen viel interessanter finden als meteorologische Erscheinungen?

Gut, so viele Fragen muss ich gar nicht aufwerfen, denn es gibt schon wunderbare umweltpsychologische Forschung darüber, wir wir den Klimawandel wahrnehmen und kommunizieren. Den Vergleich gerade finde ich aber gar nicht schlecht: Wir beobachten konstant, wie sich zum Beispiel eine gewisse Regierung verhält. Spekulieren auf dieses oder jenes, was erlaubt oder verboten wird und was das für Konsequenzen in unserem Lebensplan haben könnte. Kann auch sein, dass Menschen da nicht so rational sind und deshalb Nachrichten gucken, sondern weil Politik für sie eher so eine spannende Soap darstellt – weiß ich grad nicht. Jedenfalls: Das, worauf wir da spekulieren, was uns so dermaßen beschäftigt, wie wahrscheinlich ist das? Wie sehr beeinflusst uns das wirklich? Im Vergleich zum Klimawandel, der ganz sicher eintreten wird und uns ganz sicher beeinflussen wird, und wir besprechen einfach nirgends, wie wir uns darauf vorbereiten bzw. die ganze Sache abmildern, bevor sie eintritt! Also… Politik beeinflusst den Alltag natürlich schon. Ich lege auch Wert darauf, politisch informiert und aktiv zu sein. Es ging jetzt nur um das Verhältnis, den Vergleich. Denn mir ist auch aufgefallen, Dinge, die so sicher sind wie dass der Klimawandel existiert und Folgen haben wird, sind selten. Wir nehmen das aber meistens nicht so deutlich wahr – vielleicht haben manche so ein „jaja, aber hundertprozentig sicher ist das doch alles nicht“ im Hinterkopf. Das könnte daran liegen, wie die Klimaforschung ihre Ergebnisse mitteilt. Da ist oft von „sehr sicher“ oder „wahrscheinlich“ die Rede, und das wirkt erst einmal, als gäbe es doch noch ein Hintertürchen für Menschen, die solchen sehr wahrscheinlichen Dingen nicht gerne ins Gesicht sehen (das heißt, die Vorstellung vom Klimawandel versetzt sie in Stress? – reden wir darüber!). Ja, Ungewissheiten sind schwer so zu kommunizieren, dass sie auch richtig verstanden werden. Gerne werden sie auch herangezogen, um die wissenschaftlichen Ergebnisse anzuzweifeln oder notwendige Schritte im Klimaschutz hinauszuzögern. Dabei ist das seltsam, denn wir leben auch im Alltag ständig mit Ungewissheiten. Wenn der Arzt uns eine Diagnose stellt, wissen wir, dass hier viel Ungewissheit im Spiel ist, genauso im Beruf, in der Wirtschaft, wenn wir eine Versicherung abschließen. Und wir handeln, natürlich handeln wir, auch mit Ungewissheiten, nehmen das uns verschriebene Medikament ein, und sagen nicht: erst wenn die Wissenschaft sich ganz sicher ist. Denn wir wissen, dass es ein größeres Risiko bergen würde, nicht zu handeln.

In Sachen Klimaforschung sticht tatsächlich nicht die Ungewissheit hervor, sondern der immens große Konsens unter den Wissenschaftlern. 97% der Klimawissenschaftler auf der ganzen Welt sind sich einig: Wir Menschen verursachen den Klimawandel und ohne Gegenmaßnahmen wird er ernste Konsequenzen haben. Wir bekommen das dann zum Beispiel daran zu spüren, dass das instabile Klima die Tourismusbranche beeinträchtigt oder dass die Ernten unvorhersehbarer werden.

Auch interessant finde ich, welchen Unterschied es macht, ob wir von einem ungewissen Ausgang oder einem ungewissen Zeitpunkt sprechen. Also entweder: “Bis 2072 wird der Meeresspiegel um 25 bis 68cm ansteigen, mit 50cm als mittlerer Prognose” oder: “Der Meeresspiegel wird um mindestens 50cm ansteigen und dies wird zwischen 2060 und 2093 passieren”. Wie wirken diese beiden Aussagen? Ich finde die Assoziationen deutlich unterschiedlich und die zweite Aussage plastischer und konkreter.

Übrigens habe ich diese Ideen größtenteils aus einem Handbuch, in dem es darum geht, Ungewissheit in Bezug auf den Klimawandel gekonnt zu vermitteln:
Corner, A., Lewandowsky, S., Phillips, M. and Roberts, O. (2015) The Uncertainty Handbook. Bristol: University of Bristol.
Für die, die an genau diesem Thema schonmal verzweifelt sind, und für alle anderen sehr zu empfehlen!

In meiner persönlichen Utopie wissen die Menschen nicht nur, dass es den Klimawandel gibt; es ist ihnen auch, wie soll ich sagen, salient, bewusst, präsent, dass wir mit allem, was wir im Alltag tun, tatsächlich das Weltklima beeinflussen – und dass uns eine Veränderung bevorsteht, die wir am besten meistern, wenn wir anfangen, motiviert, positiv, konstruktiv nach Möglichkeiten zu suchen, in einer Welt mit Klimawandel zu leben. So reagieren gesunde Menschen doch auf bevorstehende Veränderungen, nicht? Ich würde gerne, wie in meiner Utopie (ich mag meine Utopie) mit Leuten im täglichen Gespräch bequatschen, welches Ding wieviel CO2 emittierte und wie ich meinen Bioabfall selbst kompostieren kann und ob wir uns nicht nen Staubsauger teilen wollen, weil dann sparen wir auch CO2, ja, und ganz alltäglich, ohne dieses unter haufenweise Argumenten versteckte „so wichtig ist mir die Umwelt jetzt auch wieder nicht“. Ja, ich würde gerne über den Klimawandel reden, ganz alltäglich, im Small Talk, ohne dass das gleich negative Emotionen produziert. Über andere negative Dinge reden wir schließlich auch. Und ich würde gerne verstehen, warum dieses Thema für viele so unangenehm ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass viele sich moralisch unter Druck gesetzt fühlen, sich irgendwie schlecht oder schuldig fühlen, dass manche vielleicht Angst haben oder einfach denken, jetzt wird ihnen irgendwas verboten, das sie gerne machen. Das finde ich schade. Oder es ist vielleicht das unangenehme Gefühl, ohnmächtig zu sein, nichts machen zu können, obwohl das, was bevorsteht, so beängstigend ist. Ich weiß nicht genau, und ich möchte nicht, dass sich jemand schlecht fühlt, weil ich ein bestimmtes Thema anspreche. Aber dadurch möchte ich immer noch bestimmte Themen ansprechen und finde, für das eigene sich-schlecht-fühlen ist jede Person selbst verantwortlich: Deshalb würde ich am liebsten sagen, tut was, um euch nicht schlecht zu fühlen, damit ich mit euch mehr über den Klimawandel reden kann und meine Utopie wahr wird.

Wie auch immer: Von der Theorie in die Praxis schreitend gehe ich draußen herum und genieße den Frühling, wobei ich leider feststellen muss, dass mir jetzt schon – jetzt schon!! – viel zu warm ist. Es ist gleichzeitig einfach nur wunderbar, wie grün und bunt und fliederduftend alles sprießt und lebt, extatisch schön. Wildkräuter sind auch schon da. Ich gehe durch die Straßen, um zu grasen. Vogelmiere mag ich am meisten, glaube ich. Das ist ein Nelkengewächs, mit kleinen weißen Blüten und dichotomen Verzweigungen, wächst das ganze Jahr über und schmeckt etwas erdig und frisch. Was ganz aktuell auch sehr lecker ist: Knoblauchrauke. Und Hirtentäschel. Und lila blühender, verrückt aromatischer Gundermann. Und ganz viel anderes Zeug, aber so viel kenne ich auch nicht. Jedenfalls finde ich, es lohnt sich gerade sehr, rauszugehen und rumzuprobieren. Und bald säe ich Dinge aus auf dem Balkon. Zugegeben, der Klimawandel ist auch mir ein eher unangenehmes Thema, aber ich glaube das liegt größtenteils an den Assoziationen, die wir durch die öffentlichen Debatten geknüpft haben. Dann doch lieber eigene, neue Assoziationen machen. Zum Beispiel verbinde ich Klimawandel auch mit Sortenvielfalt. Und mit den haarigen Tomaten zu Hause. Fuzzy Wuzzy heißt die Sorte.