Érik a szőlő… die Trauben reifen. Alles mögliche reift. Geht raus und pflückt, Leute!
Pflückt auch Wissen! Gutes, reifes Wissen aus samenfesten Erhaltungssorten (sprich: geeignet zur Saatguternte). Oh, wie freue ich mich über meine Ernte: An einem Tag Tomaten, am anderen Tag Wissen, aber von der motivierenden, in glückliche Schwingungen versetzenden Sorte. Wo hab ich das wohl her?

Ich war heute im Prinzessinnengarten. Das ist ein urbanes Gartenprojekt in Berlin. Ich mag es, dort durch die upgecycelten (krudes Deutsch) Hochbeete aus alten Plastikkisten zu streifen, in denen kunterbunter Mangold vor sich hin wuchert, scharfe Kapuzinerkresse, abgefahren duftiger Estragon, rot blühende Bohnen. Ich mag es, zu beobachten, wie kreativ die Rankhilfen konstruiert wurden, wie schon wieder ein exzentrischer Künstler eine Ecke des Gartens verziert hat.

(Im Übrigen: Smoothie aus welkem Salat und heruntergesetzten Datteln ist ja mal dermaßen geil).

Ich war im Prinzessinnengarten, um mir den Auftakt der Wandelwoche anzuschauen. Vom 6. bis 16. September geht es hier um… die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Aber nun ja, diese Bezeichnung wird auch langsam öde. Konkret geht es um alternatives Wirtschaften – solidarisch, regional, partizipativ, jenseits des Wachstumsdogmas – um enkeltaugliche Landwirtschaft, um klimaschonende, postfossile Lebensweisen, um Wohnprojekte und Werkstätten, die alle einbeziehen, um das Sich-umeinander-sorgen… Wer sich das wünscht, und nicht erfährt, fühlt sich vielleicht erschlagen von all dem, sorry, dysfunktionalen Turbokapitalismus, der uns in den meisten Kontexten umgibt – und denkt sich, okay, die Utopien sind da, doch wer setzt sie jemals um?

Ich wünsche mir oben genannte Alternativen zum Turbokapitalismus auch, sogar sehr, und habe das Glück, Zugang zu einer Szene zu haben, in der mich die Fülle dieser Alternativen fast überwältigt. Denn die Utopien werden umgesetzt, ich setze sie um, wenn ich im Prinzessinnengarten Saatgut ernte, wenn ich Kleidung aus einem offenen Kleiderschrank nehme! Die Antworten, die Menschen, die etwas tun, sie sind schon da – mensch muss nur die Augen offen halten. By the way, entschuldigt meinen irrsinnigen Optimismus, so bin ich eben.

Zurück zum Thema: Die Wandelwoche ist dazu da, mehr über den gelebten Wandel zu erfahren, sich zu vernetzen, mitzumachen und mit neuer Inspiration weiterzuwandeln. Das geschieht über Touren mit Fahrrad, Öffis oder zu Fuß in der Region Berlin/Brandenburg. Dazu kommen Diskussionen und Workshops. Ich war noch nie dabei, kann also keine Erfahrungen teilen, aber ich habe ziemliche Lust, welche zu machen.

Beim Auftakt im Prinzessinnengarten habe ich es sowohl genossen, am Estragon zu schnuppern, als auch, mich mit Menschen auszutauschen. Ich muss sagen, es gibt dort tolle Menschen. Einige von ihnen hatten ihr Projekt mitgebracht, um es an einem Marktstand vorzustellen. Da gab es zum Beispiel die Möglichkeit, einen Smoothie-Mixer mit einem Fahrrad anzutreiben (flashig!). Ich fand schnell etwas, das ich besonders mochte: Ein Magazin namens transform.

Es existiert noch nicht so lange, die fünfte Ausgabe ist gerade in Vorbereitung. Die Themen sprachen mich sofort an, es war sogar, als würde ich eine geordnete und verschriftlichte Fortführung meiner eigenen Gedanken und Einstellungen vor mir haben. Eine Menge Menschen schreiben mit und es ist komplett werbefrei. Im dritten Heft zum Beispiel geht es auch um unsere inneren Widersprüche… die umweltbewusste Menschen im Alltag ziemlich häufig haben. Ich habe es noch nicht ganz gelesen, aber Fragen wie „Ist nachhaltiger Konsum Selbstlüge?“ oder „Warum ändern wir unser Surfverhalten nicht trotz Überwachung?“ – das klingt echt interessant.

Der Anspruch des Magazins an sich selbst scheint zu sein, bewusst ohne moralisches Missionieren auszukommen. Das Heft fängt mit einer amüsanten Vorstellung aller beteiligten Personen an, und mit zwei Seiten guten Nachrichten in Schlagzeilenform. Das mag ich. Psychologisch ist es ja so, dass wir auf negative Nachrichten emotional stärker reagieren und sie uns also mehr interessieren, aber dass die Medienlandschaft aufgrund dieses Zusammenspiels aus Evolution und Kapitalinteressen zu großem Teil aus schlechten Nachrichten und Katastrophenszenarien besteht, finde ich doch sehr unangemessen. Zu wissen, was schief läuft, ist wichtig, aber genauso wichtig sind positive Vorbilder und positive Visionen, wie wir unsere Welt gestalten wollen! Nicht nur über die schlimmen Folgen des Klimawandels, auch über die Chancen und Möglichkeiten einer klimagerechten Lebens- und Wirtschaftsweise sollten wir informiert werden!

Ich lese zum Beispiel gerade dieses: „Bhutan ist das erste CO2-negative Land“. Und: „In Englands Schulen dürfen Mädchen jetzt Uniformhosen tragen – und Jungs Röcke. Eben jeder so, wie er oder sie mag.“
Stoff zum Nachdenken, ich freue mich schon. Und Praxistipps am Ende des Heftes, um nicht allzu sehr im Nachdenken zu versinken. Und Recyclingpapier. Warum benutzen nicht alle Recyclingpapier? Kapiere ich irgendwie nicht.

Es wird dunkel… Ich habe nurnoch im Kopf, wie sehr ich Berlin vermissen werde. Kann ich aber schlecht voraussagen. Vielleicht ist mir in Berlin auch alles zu viel. Zu viele leidvolle Probleme und zu viele supertolle Lösungen. Gewiss, ich bin auch manchmal von positiven Emotionen überfordert.
Pflückt Trauben, Leute, und Äpfel, und esst die männlichen Kürbisblüten, es ist gerade die beste Zeit dafür.