Lieblingsmensch mit 50% DNA-Übereinstimmung (exklusive Epigenetik und Transposone) und ich: Wir spielen gerne. Wir haben auch einen Hang zum Absurden, den ich über alles liebe. Die meisten Menschen denken so effizienzbasiert und geradlinig! Ich manchmal nicht – und das hat sogar was mit meinem Gehirn zu tun (Denken?? Mit dem Gehirn?? Woah!).

Ja, genau. Im Seminar Allgemeine Psychologie letztens haben wir eine Studie besprochen1, in denen die Versuchspersonen es irgendwie ganz gut hatten, sie durften einen Wodka-Cranberry-Mix trinken und sich dann den Film „Ratatouille“ anschauen. Okay, die ganzen Tests zwischendurch waren eventuell etwas anstrengend, so ist das halt.

Aber – warum? Es ging um ein sehr spannendes Thema: Was das Arbeitsgedächtnis mit kreativem Problemlösen zu tun hat. Das Arbeitsgedächtnis ist eine spannende Funktion des Gehirns, die wir für alles mögliche brauchen (mit Zahlen jonglieren, Ordnung machen, Kochen, wasweißich). Verortet ist diese Funktion u.a. im dorsolateralen Präfrontalcortex (also oben-seitlich in der Stirngegend). Alkohol ist für diese regulierenden, kontrollierenden und ordnenden Funktionen des Präfrontalcortex nicht so ideal. Allerdings: für manche Aufgaben ist das gerade gut! In der Studie haben sie einen Kreativitätstest mit den Probandis gemacht: Gegeben seien drei Wörter, gesucht wird ein viertes, das mit allen anderen eine gute Zweiwort-Kombination ergibt. Durch systematisches, effizienz-orientiertes Nachdenken ist da nicht so viel zu erreichen – vielmehr muss das Denken verschlungene und abwegige Pfade einschlagen, um zur Lösung zu kommen. Ungewöhnliche, lockere Assoziationen sind von Vorteil. Und es scheint, als wäre das leichter, wenn das Arbeitsgedächtnis gehemmt ist und keine regulierende Kontrolle auf das Assoziieren von Gedanken ausübt. Die leicht alkoholisierten Probandis haben mehr von diesen Aufgaben gelöst und waren auch schneller.

… was natürlich immer noch heißt, das Alkohol für die meisten Aufgaben keine Vorteile bietet (wohlgemerkt, die Menge war auch gering); wenn man mit einem miesem Arbeitsgedächtnis lebt, weiß man das.
Dies ist nämlich eines der zentralen AD(H)S-Symptome. Als ich im Intelligenztest ein paar Zahlen hörte und in der richtigen Reihenfolge wieder aufsagen sollte, dachte ich mir nur, alter Falter, mein Gehirn verknotet sich, heute weiß ich, das liegt am Arbeitsgedächtnis. Das erklärt auch, warum ich Mathe zwar übertrieben faszinierend finde, aber oftmals durchdrehe, wenn ich Übungsaufgaben lösen soll.

Und gerade deswegen fand ich obige Studie extrem lustig: Ja, AD(H)Sler sind ja auch kreativ! Das wird ihnen oft nachgesagt, aber mit diesen Zusammenhängen macht das auch neuropsychologisch Sinn. Fand ich gut. Mal wieder ein Hinweis darauf, dass Neurodiversität bedeutet, dass mensch gewisse Stärken hat, weswegen ich am liebsten das Diagnostiksystem neu schreiben würde, aber das ist ein anderes Thema.

Kommen wir, nach dieser fulminanten Abschweifung, die aber auch Sinn hatte, zum Urmensch-Spiel.

Also, Lieblingsmensch und ich, wir machen das beispielsweise so:
„Wie haben die Urmenschen eigentlich… den Fön gemacht?“, fragt eine. Hier kommt eine beispielhafte Antwort:

„Erst einmal mussten sie ganz viele Chilis anbauen. Wenn die Chilifrüchte da sind, reiben sie sie mit Katzenminze ein. Dann lassen sie einen gezähmten Löwen darauf los. Der Löwe findet das dann richtig gut und wälzt sich in den Chilis und isst auch welche. Wenn ein Urmensch dann nass ist und einen Fön haben will, muss er sich nur vor einen Löwen setzen. Natürlich nehmen sie dafür vor allem Alpha-Männchen. Der Urmensch muss davor auch eine Steintafel gehauen und in Cro-Magnon-Mensch-Manier einen anderen Löwen darauf gemalt haben. Ein Beta-Männchen, sozusagen. Das hält er hoch vor den Löwen; dieser wird dann riesig brüllen… und mit dem Chili-heißen Atem des brüllenden Löwen wird der Urmensch wieder trocken. Voilá, ein Fön.“

Wir haben das schon mit sehr, sehr vielen Dingen durchgespielt: Computer, Uni, Internet, Staubsauger, Fahrrad, Fernseher, was auch immer. Wiederkehrende typische Elemente im Urmensch-Spiel sind „Sie nahmen einen Kasten aus Stein…“ und Sachen wie „Sie nahmen ganz viele trainierte Ameisen und ein Caméleon…“.
Je absurder, desto besser, und bitte nicht an anthropologisch naheliegende Antworten denken, ja, das Urmensch-Spiel ist gar nicht so einfach! Unlogik zulassen? Wie in alten indianischen Märchen – die sind auch extem unlogisch.

Ich fragte mich auch eine zeitlang, warum Dadaismus eigentlich als etwas so Spezielles gehandhabt wird – es ist doch einfach ein Ausdruck von Unlogik und der Abwesenheit von sinnvollen Zusammenhängen (wenn ich das richtig verstehe, ich kenne mich mit Kunstinterpretation nicht aus). Ist doch schön! Machen Menschen doch ständig, wenn die das Gefühl haben, sie dürfen. Oder sie sind unkreativ. Ja, manche sind auch unkreativ – das wäre eventuell zu testen mit einer Urmensch-Frage. Ist ja auch nicht schlimm, unkreative Menschen können auch ganz nett sein (keine Ironie).

Wie machten die Urmenschen den Blog?
Uhh… mal kurz nachdenken. Also, natürlich hatten auch Urmenschen so ein hübsches kleines Selbstdarsteller-Bedürfnis oder wollten die neuesten Tricks im Kräuter-Sammeln mit der Urmensch-Community teilen. Aber das machten sie natürlich nur mit ihren Followern.
Jeder Urmensch-Blog hatte eine eigene Sorte Blume, auf die eine eigene Art Kolibri flog. Wenn ein Urmensch einen neuen Follower hatte, bekam dieser eine Blume, die er sich hinters Ohr klemmen musste. Der bloggende Urmensch hatte einen kleinen Käfig aus Weidenzweigen, in dem seine speziellen Kolibris hausten. Dann konnte er seiner Kreativität freien Lauf lassen. Er malte auf Platten aus Stein und malte auf Birkenrinde. Das pinnte er dann in seinen Blog-Wald. Jeder Urmensch hatte einen eigenen Blog-Wald (das war so etwas wie seine Website). Er nahm dann einen Kolibri auf die Hand und zeigte ihm, was er da geschrieben oder gemalt hatte. Der Kolibri flog dann los, um seine Follower zu suchen, die ja bestimmte Blumen hinterm Ohr trugen. Fand der Vogel einen, pickte er ihm ins Ohrläppchen, aber mit einer bestimmten Anzahl. Die Anzahl der Kniffe ins Ohrläppchen war ein Code, mit dem der Follower entziffern konnte, welche Tags der Blogbeitrag hatte. Wenn die Tags nicht interessant klangen, pustete er den Kolibri einfach weg und der pickte dann den nächsten Follower. Wenn die Tags aber interessant klangen, folgte der Follower dem Kolibri (heißt ja auch so), und zwar kam er bis in den Blog-Wald. Der Kolibri fand dann den Beitrags-Baum und der Follower konnte davor stehenbleiben und lesen. Die Follower, aber natürlich nicht nur die, sondern alle, die den Baum fanden, konnten dann Kommentare dort lassen, die sie auf kleine Rindenstücke malten und drunterpinnten. Neben den Bäumen war eine Vogelstange, worunter ein paar Büsche Blumen wuchsen. Das war die Blogroll des bloggenden Urmenschen. Wenn ein Urmensch einen anderen Blog auskundschaften wollte, musste er nur einen Kolibri streicheln, dann flog dieser zu dem anderen Blog-Wald.

Voilá, ein Blog!

1 Jarosz, A. F., Colflesh, G. J., & Wiley, J. (2012). Uncorking the muse: Alcohol intoxication facilitates creative problem solving. Consciousness and Cognition, 21(1), 487-493.