Mein Laptop hat eine Schraube zu wenig.
Diese Dinge: die brauchen Pflege! Brauchen Aufmerksamkeit! Die kostbarste Ressource, die ich habe – ich gebe sie den Dingen.
Ich mache Mentalizing mit den Dingen. Denke, dass der Plüsch-Panther Gefühle hat. Dass ich ihn nicht zudecken sollte. Aber Lungen hat er doch keine!
Denke, dass der Computer eine Persönlichkeit hat. Das geht wunderbar, Mentalizing, geht sehr einfach, mit allen Dingen um mich herum.
Menschen sind tendenziell irrational. Sie häufen sich Sachen an und lesen dann über Entrümpelung. Problem: Es ist leichter, Sachen anzuhäufen, als sie loszuwerden.
Sachen anhäufen kann mensch überall und jederzeit. Sachen loswerden kann Mensch nicht überall und nicht jederzeit. Die Verhaltenskosten sind höher.
Manche Menschen mögen Minimalismus (und Alliterationen).
Minimal soll der kognitive Raum sein, den die Dinge um uns her einnehmen; gar nicht so einfach, dies umzusetzen!
Wert, es geht um Wert. Ich finde alles unfassbar wertvoll und das ist gleichzeitig sehr gut und ein Problem. Wenn eine Pflanze kränkelt, will ich sie trotzdem behalten, denn Pflanzen sind Wunderwerke der Natur, die Photosynthese betreiben, nicht wahr – und gleichzeitig werden Tonnen von Pflanzen weggeworfen und zu Bioenergie verarbeitet. Gleichzeitig.
Was ist Wert, wie entsteht Wert?
Kleidung – ich bringe es nicht über mich, bestimmte Kleidungsstücke wegzugeben, denn sie erinnern mich an jemanden, an etwas. Aber wenn jemand sie mir wegnähme, wäre das auch nicht schlimm; das Dilemma ist nur dann salient, wenn ich das Teil in der Hand habe und mich entscheiden muss: weg damit oder nicht? Interessant, nicht wahr?
Das erklärt auch, warum wir unsere ganzen Dinge nicht sehr vermissen, wenn wir mit nur einem Rucksack auf Reisen sind… aber das aktiv selbst entschiedene „ich verzichte jetzt darauf und gebe es fort in den endlosen Kreislauf des globalen Chaos“, das ist eine hardcore Überwindung. Verluste wiegen schwerer als gleichartige Gewinne, sagt die Psychologie.
Mich erdrücken die Dinge, erkläre ich vielen Menschen um mich her, und manchmal verstehen sie das nicht wirklich, aber es gibt ja auch Minimalisten, also irgendwas wird da ja dran sein.
Mich erdrückt, dass die Dinge meine Aufmerksamkeit verlangen: Ich muss sie putzen und warten und Ersatzteile besorgen und sie entsorgen, wenn sie kaputt sind, und das eventuell im Sondermüll, oder sie sind zu schade für den Müll, dann wird es so richtig kompliziert. Ich finde verkaufen kompliziert und so anstrengend, allein der Gedanke daran, puh. Ich habe keine naheliegenden Ideen zur Hand, keine besonders einfache Infrastruktur, wo ich weiß, jetzt kommen meine Dinge an den richtigen Ort, werden wertgeschätzt und wiederverwendet. Gäbe es sowas, das wäre voll genial. Besitz schafft Verantwortung. Eigentum verpflichtet (was auch immer damit gemeint ist). Man muss riesige Transport-Dingers mieten beim Umziehen. Für Sachen, die seit Jahren nicht benutzt wurden. Wozu habe ich sie dann? Weil ich mich ja doch nicht entscheiden kann, wohin ich sie geben soll. So viel tragen. So viel abstauben.
Mich erdrückt die Vorstellung, wie viele Dinge es in wie vielen Läden zu kaufen gibt. Warum? Es ist komplett irrational. Es wurden schon genug Dinge produziert, sie liegen nur bei irgendwem unbenutzt auf dem Dachboden oder in der Schublade. Und jemand anders kauft sich dann genau dieses Ding in neu, wofür dann eine Menge Ressourcen verwendet wurden. Und um die halbe Welt wurde es geschifft, und jemand musste es zusammenbauen.
Wenn ich etwas brauche, schaue ich, ob es das gebraucht gibt. Kleidung, zum Beispiel. In meiner Stadt macht der BUND viermal im Jahr ein Kleidertauschevent. So viele Leute strömen dorthin, sie bringen große Taschen mit voll aussortiertem Zeug. Dinge gebraucht kaufen ist so viel anstrengender, als Dinge neu kaufen, das finde ich so schade. Kleinanzeigen suchen und kommunizieren und Leute besuchen, das braucht Energie, und für Autist*innen ist das schonmal keine richtige Option. Einfache Möglichkeiten, gebrauchte Dinge zu kaufen; gäbe es sowas, das wäre voll genial.
Alles quillt über! Das macht mir Angst. Stopp, will ich rufen, ich verliere den Überblick. Kann mich vor so viel Wert nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren.
Selbst die Umsonstschränke, Umsonstläden quillen über.
Ja, es gibt Umsonstläden! Manch einer findet das merkwürdig. Doch in den meisten größeren Städten (und in Eberswalde) finden sich welche.
Ich kenne auch einen Leihladen (Leila) in Berlin. Da kann mensch sich alles ausleihen: Küchengeräte, Kinderwagen, was auch immer. Einen Entsafter zum Beispiel braucht man nicht ständig, den hatte ich mir dort für zwei Monate ausgeliehen.
Souveränität mit dem Besitz, mit der Versuchung des „das ist dann meins und dadurch habe ich mehr Freiheit“, das Reflektieren des Instinktes nach Hortung von Zeug, das wünsche ich mir.
Auch Car-Sharing und Bike-Sharing und Staubsauger-Sharing und Waschmaschinen-Sharing, das wünsche ich mir…
Waschmaschinen-Sharing als Studentin funktioniert übrigens. So ein riesiges Teil würde ich ungern besitzen – und was, wenn es kaputt geht? Ich sehe in so einem Fall eine Überforderung meiner exekutiven Funktionen voraus. Generell, je stabiler, je langlebiger, desto mehr mag ich die Dinge. Geplante Obsoleszenz ist doof. Als hätten wir die Ressourcen dafür! Nein, haben wir nicht – Earth Overshoot Day ist bereits am zweiten August. Deshalb mag ich Initiativen wie „Murks? Nein Danke!“. Menschen sind so erfinderisch, sie können Glühlampen bauen, die 100 Jahre halten. Sie könnten vermutlich auch ein Smartphone bauen, das fünf Jahre hält, oder zehn, so spinne ich meine Gedanken. Und wenn ein Laptop doppelt so lange hält, braucht man nur halb so viele Laptops. All diese Themen sind auch Bestandteil von Postwachstumsökonomie, Stichwort Suffizienz.
Wieviel Wert mensch seinen Gegenständen oder Dingen generell zuschreibt, es könnte ein normalverteiltes Persönlichkeitsmerkmal sein, und dazu vielleicht stark kontextabhängig. Mich hat der Fall Amazon schockiert. Etwa die Hälfte von dem, was bestellt wird, wird aus irgendeinem Grund wieder zurückgeschickt – das sind die Retouren. Verschiedene Online-Händler entsorgen diese gleich, statt sie weiterzuverkaufen. Das macht mich wütend und traurig. Diese Mitarbeiter*innen von Amazon, die palettenweise neuwertige, sehr teure Waren vernichten: Was ging in ihnen vor? Manche hielten es nicht aus und packten aus über ihre negativen Gefühle und wie falsch sie das fanden (habe ich in der Reportage gesehen). Hatte irgendwer nicht solche Gefühle? Teure Elektrogeräte, neuwertige Kaffeemaschinen, Kühlschränke, neu gedruckte und hochaktuelle Bücher verschrotten, wie hält man das aus?
Oder wie ist es mit Lebensmitteln? Supermärkte, die 40-50% ihrer Waren wegschmeißen – was geht da ab bei ihrer Definition von Wert? Wohlgemerkt, keine Ahnung, ob das eher ein Verantwortungs-Verschiebungs-Problem ist und die, die das entschieden haben, das nicht so schlimm finden, weil sie die frischen, essbaren, leckeren Sachen nicht persönlich in den Abfall werfen. Ohje, das Thema schafft mich.
Ich weiß nicht, ganz ehrlich, wie Durchschnittmensch das emotional bewältigt, pro Jahr 80kg Lebensmittel wegzuschmeißen. Ich bin ja schon total traurig, wenn nur ein bisschen was schimmelt.
Das alltägliche, bezaubernde Drama der Hochsensibilität, aber hey, es geht auch um Ressourcen.
Das wird man nicht allein mit Upcycling-Workshops lösen können, aber vielleicht mit der transformativen Einstellung, die dem Zusammenspiel von Repair-Cafés, Umsonst-Schränken, Kleidertauschpartys und dem Teilen von Dingen entspringt…
Und der Erfahrung, dass Verzicht manchmal befreiend ist: souverän ist nicht der, der viel hat, sondern der wenig braucht. Lass uns mal nen Filzstift nehmen und das auf die Werbeplakate schreiben.
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