Ich bin glücklich, und das seit einem so langen Zeitraum, ich frage mich schon, ist das normal… Bin ich unter die Stoiker gegangen, wenn mir alles so halbwegs egal zu sein scheint? Und ich frage mich: Im Angesicht der Klimakrise, was würde Epiktet tun? Denn es ist nun einmal so: Dinge, die ich nicht ändern kann, da lohnt es sich auch nicht, sich davon aufregen zu lassen. Aber mir sind in der Klimakrise nicht die Hände gebunden – ich kann etwas tun! Klar, sie lässt sich nicht aufhalten – aber jedes Zehntelgrad zählt, jedes Kilo CO2 zählt. Was würde Epiktet tun?
Ich kann auf Kohlebagger steigen, das steht in meiner Macht, aber die Reaktion der Politiker darauf steht nicht in meiner Macht. Ich kann Tierprodukte durch Pflanzenprodukte ersetzen und mich aktiv gegen das Fliegen entscheiden. Aber irgendwo will ich auch andere Dinge im Leben tun, auch wenn die Einsatzmöglichkeiten für den Umweltschutz grenzenlos sind. Was würde Epiktet tun? Wieviel self-care, wieviel stressiger Aktivismus? Sein Handbüchlein der Moral enthielt keine klaren Ansagen bezüglich Umweltkrisen, schade aber auch.
Umweltschützer*in sein fühlt sich gut an, aber vom sich-gut-fühlen wird das CO2 nicht weniger. Das ist schade, sonst könnten self-care und Klimaschutz gleichzeitig gefördert werden, statt sich, wie es manchmal vorkommt, zu wiedersprechen. Doch wie weit geht self-care? Wieviel umweltschutzbedingte Abneigung sollte ich dieser oder jener Tätigkeit entgegenbringen, sodass ich sie nicht ausführe, obwohl es ne nette Sache scheint? Ist Inkonsequenz okay?
Das Transform-Magazin hat ein tolles Heft zum Thema Wiedersprüche rausgebracht. Äußerst nützliche Literatur. Aber ich würde auch denken, vielleicht ist es ganz gut, mehr darüber zu wissen, worin ich lieber konsequent sein sollte. Es gibt nämlich „Big Points“ und es gibt „Peanuts“, was zum Beispiel die Klimakrise angeht. Macht es Sinn, zu sagen: Ich esse zwar Fleisch, verzichte dafür aber ganz auf Coffee-to-Go-Becher? Von der Klimabilanz her, nein. Die Einwegbecher haben, was das angeht, einen nur sehr geringen Effekt. Ernährung, Mobilität, Wohnen – das macht mit Abstand das meiste aus in unserem CO2-Fußabdruck.
Die Initiative Psychologie im Umweltschutz hat dazu eine ganz famose Postkarte erfunden:

Die Größe der Felder gibt das Einsparpotenzial an Treibhausgasen wieder. Ich finde, je länger ich diese Postkarte betrachte, desto mehr Aha-Effekte werden nach und nach generiert. Es geht nicht um die absoluten Zahlen, die sind häufig nicht supergenau bestimmbar, eher um die Größenordnung. Und auch um die Frage: Wie ist das Verhältnis von medialer Aufmerksamkeit für ein Thema zur Klimarelevanz des Themas?
Aber es geht ja um die Tabuzonen. Was meine ich damit?
Letzter IPU-Kongress: Eine Wendeltreppe, wenn mensch hinaufgeht ist da ein Erker, der mit einem Vorhang abgetrennt ist. In diesem kleinen, nun entstandenen Raum sind die Wände mit kleinen gelben und blauen Karten beklebt. Ich nehme mir Zeit, die durchzulesen und erkenne viele der Gedanken wieder. Es sind Gedanken, die umweltbewusste Menschen haben, ohne sie auszusprechen. Negative Gedanken.
In der Umweltdebatte oder wenn ich mit Freunden über Veganismus und Flugreisen rede, gibt es manche Gedanken, die ich wegstecke, wenn ich in die Rolle der Umweltbewussten schlüpfe. Diese Rolle macht mich zwar stark, aber ich kann in ihr nicht alles von mir zeigen. Was, wenn ich selbst einmal hoffnungslos bin, was ein Umweltthema angeht? Wenn ich gleichzeitig im Umweltschutzverein tätig bin, wäre das eine kognitive Dissonanz bzw. ein Rolle-Selbst-Konflikt (yeah, Sozialpsychologie!) und so etwas ist sehr unangenehm. Deshalb wurde auf diesem Kongress die Tabuzone geschaffen, um diese Gedanken auszuschreiben und zu erfahren, wieviele sie im Grunde teilen. Das alles in einem anonymen Schutzraum.
Ich habe überlegt, was sind meine Tabuzonen? Ich habe ein gewisses Vorurteil gegenüber mir selber (alle Menschen haben Vorurteile gegenüber sich selbst, man nennt das nur nicht so, denn wer wollte das schon zugeben). Dieses Vorurteil besagt, dass ich alles positiv sehe und eine hardcore Optimistin bin. Nun, im Allgemeinen stimmt das. Ich glaube, dass individuelles Handeln etwas bewirkt. Dieser Gedanke ist so etwas wie meine Existenzgrundlage. Aber negative Gedanken sind auch nicht unbedingt schlecht – es kommt vielmehr darauf an, was durch sie ausgelöst wird.
Ich musste nicht lange darüber nachdenken, was ich auf die Karte schreibe, denn ich denke ohnehin viel über so Zeug nach.
Es gibt eine Sache, die mich am Umweltschutz enorm frustriert. Das ist, grob gesagt, dass die Bemühungen um Umweltschutz von tatsächlicher Verhaltensänderung immer wieder auf theoretische und Verwaltungsarbeit verlagert werden. Dass mich das so stört, liegt vermutlich auch daran, dass ich manchmal ungeduldig bin. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, frage ich mich manchmal: Hilft es der Umwelt, wenn ich Umweltpsychologie studiere? Im Ernst – sollte ich nicht lieber einen Gemeinschaftsgarten bauen? Wozu will ich Wissenschaft machen? Wir wissen doch schon genug! Zumindest genug, um endlich zu handeln und dieses Wissen auch anzuwenden. Warum ist es so, dass es an meiner Uni einen Umweltpsychologie-Lehrstuhl gibt, aber was die Nachhaltigkeit angeht sind Uni und Studis nicht gerade überdurchschnittlich? Warum gibt es Umweltpsycholog*innen, die mit dem Flugzeug fliegen? Warum gibt es überhaupt so viele Ökos, die fliegen – und dann noch von ihren Fernreisen schwärmen und die Klimarelevanz gar nicht erwähnen? Ich gebe zu: Das regt mich auf. Ich weiß, warum ich gerne Wissenschaft mache – ich liebe intellektuelle Stimulation. Menschen machen eben lieber spannende Sachen, als das, was vielleicht notwendig, aber langweilig oder weniger attraktiv ist.
Auch Wissensvermittlung ändert nicht viel am Umweltverhalten, sagen die Daten. Was bringt es dann, wenn ich mich bei Greenpeace für reine Aufklärungs-Kampagnen engagiere? Das finde ich zunehmend unbefriedigend; besser finde ich Aktionen, bei denen Menschen tatsächlich mitmachen können, Selbermach-Workshops und so. Bildung ist wichtig, aber Verhaltensänderung ist für den Planeten nun einmal das Einzige, was zählt. Dem Klima ist es egal, wie schlecht wir uns dafür fühlen, dass wir geflogen sind – wir haben es nun einmal getan. Und das ist es auch, was mich in der Umweltpsychologie frustriert: Tatsächliches Verhalten ist das, was zählt, es ist aber auch das, was am schwierigsten zu ändern ist. Das hat an sich auch etwas Gutes, denn ich würde nicht wollen, dass Psychologen oder irgendwer mein Verhalten leicht ändern kann (manche Menschen haben ja auch keine so altruistischen/biosphärischen Absichten). Mir scheint, dass Umweltverhalten zum Großteil über soziale Normen und Gewohnheiten bestimmt ist. Und Verhalten über das Sichtbarmachen sozialer Normen zu ändern, mag zwar funktionieren, hat aber ethische Grenzen, da die Verbindung zur Manipulation naheliegt. Es ist also furchtbar schwierig!
Ist es verständlich, wenn mich anödet, wieviele Veranstaltungen und Projekte allein mit dem Ziel der „Vernetzung“ stattfinden? Natürlich ist Vernetzung toll, aber wann haben wir uns endlich genug vernetzt und fangen an mit dem Handeln?
Vielleicht ist das Handeln unangenehm und nicht ganz einfach. Ich merke es selbst, meine Vorwürfe treffen genau auf mich zu. Das Handeln ist deshalb nicht ganz einfach, weil mensch dafür mit Leuten interagieren muss, die nicht die eigenen Einstellungen haben und sich von einem selbst unterscheiden. Menschen sind lieber bei Leuten, die ihnen ähnlich sind und finden diese auch sympathischer. Das ist nachvollziehbar. Aber im kollektiven Umwelthandeln geht es um etwas anderes: die Auseinandersetzung mit Leuten, die das eigene Weltbild infrage stellen. Das sich-einlassen auf ermüdende Diskussionen, auf Konflikte. Die immer wieder auftauchende Ernüchterung, wenn sichtbar wird, dass doch nur wieder Mitglieder der Öko-Blase erreicht wurden, die sowieso schon „viel tun“. Das ist anstrengend, die anstrengende Arbeit im Umweltschutz. Aber vielleicht wichtiger als persönliches Greenwashing im Sinne von Dissonanzreduktion durch Mehrwegbecher und nett klingende akademische Projekte.
Okay, das war meine Dosis Pessimismus für heute. Was ich sagen will: Es gibt viele Menschen, die aktiv für die Umwelt sind, das ist klasse; es gibt viele Menschen, die Umweltschutz sehr wichtig finden und etwas machen wollen. Es gibt aber Dinge, die wenig effektiv sind, und Dinge, die eher effektiv sind. Die effektiveren Dinge sind tendenziell die unbequemeren und wir machen viel von den bequemeren und rationalisieren uns damit zurecht, dass unser Beitrag groß genug ist. Das soll kein Vorwurf sein, ich wünsche mir nur, dass wir in diesem Punkt ehrlich zu uns sind. Denn wie gesagt, von Zurecht-Rationalisieren wird das CO2 nicht weniger.
Es gibt Methoden aus der Umweltpsychologie (siehe Handbuch), mit denen sich wirkungsvolle Aktionen planen lassen – und in jeder Ausgabe des Tranform-Magazins hinten ein paar ganz konkrete Anleitungen für „sanftmütige Dissidenz im Alltag“ (diese Hefte gibt es als reine Textversion auch kostenlos!). Also dann, viel Spaß 🙂
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