Zugegeben, ich habe nicht so wirklich einen Plan für schwierige Phasen. Aber es gibt sie und ich gehe damit um – scheinbar auch ein klitzebisschen erfolgreich. Deshalb schreibe ich auch darüber; denn dieser Blog soll vor allem, im Idealfall, voller hilfreicher Inspirationen sein! 🙂
Meditation, konkreter, MBSR (mindfulness-based stress reduction), tut mir sehr gut. Ich mache das jetzt schon seit ca. vier Jahren und möchte es fortführen. Es ist das tägliche Training für mein fronto-parietales Aufmerksamkeitsnetzwerk, mein Arbeitsgedächtnis und meine Emotionsregulation – und hin und wieder auch mächtig entspannend. When you slow down, time slows down!
Das ist tatsächlich so. Das Studium ist gerade sehr fordernd und oft werde ich dadurch innerlich getrieben – so viele Paper zu lesen, so viele Folien zu verstehen, und die Klausuren, und dieser Druck, eine sehr gute Note zu schreiben, um den Masterstudiengang meiner Träume zu erreichen… Den ganzen Tag denke ich unterschwellig „jetzt sollte ich aber lieber mal was für die Uni tun“. Die ersten Semester hatte ich diese Gedanken, dieses Getriebensein ganz gut unter Kontrolle, aber Dinge unter Kontrolle zu halten, das ist auf die Dauer schwer aufrechtzuerhalten. Jedenfalls, wenn ich eine gelungene Meditationssitzung hinter mir habe (wobei Meditation nicht wirklich gelingt oder nicht gelingt, man macht sie einfach), erlebe ich, dass die Zeit auf einmal langsamer zu vergehen scheint. Es ist, als wäre es auf einmal ein Leichtes, alles zu schaffen, was ich schaffen möchte, und als hätte ich genug Zeit, das ganz gelassen zu tun. Das finde ich faszinierend. Zeit ist so subjektiv! Allein Hektik ist total subjektiv. Auch wenn die physikalischen Gegebenheiten der Raumzeit und die Länge meiner To-Do-Liste sich nicht ändern, erlebe ich es doch auf einmal ganz anders. Wohlgemerkt ist auch dieses Erleben schwer aufrechtzuerhalten, aber es ist sehr lehrreich, wie sehr das Hektisch-Sein des Alltages von der inneren Haltung abhängt. Klingt jetzt weiser, als es sollte… Ups, meine Nudeln kochen über!
… Also, Meditation. Mit ADS ist das nicht so einfach (siehe dieser Beitrag). Und dass Meditation nicht immer gleich gut gelingt, habe ich schon zur Genüge erfahren dürfen. Es gibt Phasen, in denen stehe ich morgens diszipliniert auf, setze mich meine 20 Minuten hin und erlebe, wie sich mein Bewusstsein wie ein Klavierstück vor mir entfaltet, dem ich zuhöre, ohne mich groß beeindrucken zu lassen (also, zumindest… manchmal). Es gibt aber auch Phasen, in denen mir allein schon der Gedanke, mich jetzt hinzusetzen und nichts zu tun, zuwider ist. Stelle dir die anstrengendste und blödeste Übung im Sportunterricht vor – ungefähr so zuwider. Ich habe tausend wuselige Ideen und Gedanken im Kopf, die alle total spannend und wichtig klingen und mich überzeugen, dass es gerade bessere Einsatzmöglichkeiten meiner überschäumenden Energie gibt, als zu meditieren. Oder ich ordne so lange meine Mitschriften – was bekanntermaßen unbedingt sein muss – bis keine Zeit mehr ist zum Meditieren, weil ich los muss. So eine Phase habe ich gerade seit längerem. Sie kommen notwendigerweise, diese Phasen, wenn man nicht gut darin ist, Dinge diszipliniert regelmäßig zu tun (Menschen mit ADS werden wissen, was ich meine). Aber ich bin sehr willig, weiterzumachen: MBSR sehe ich als Medizin, wie wenn jemand mit Rückenschmerzen zum Rückentraining geht. Wenn ich damit langfristig meine Emotionen und Stresszustände besser im Griff habe oder vielleicht sogar weniger Medikamente brauche, ist es mir das auf jeden Fall wert. Außerdem hat einen das Buch von Jon Kabat-Zinn auch auf diese Momente vorbereitet und deshalb sehe ich sie mehr als natürliche Herausforderung, als dass ich es als Versagen interpretiere oder nichts dagegen tue.
Obwohl Meditation absolut kein „Leistungs-Ding“ ist, kann ich nicht umhin, mich mit anderen Meditierenden zu vergleichen, so ich denn welche treffe. Ich komme dann zu dem Schluss, dass ich nicht wirklich gut darin bin. Aber das ist okay; wenn jemand mit Rückenschmerzen ins Rückentraining geht und sich da so unsportlich wie eine Steckrübe fühlt, ist das schließlich auch egal, gerade die Person braucht das Training vermutlich am meisten. Ich denke da ganz analog drüber nach (man verzeihe mir die mechanistische Sicht auf mich selbst, ich weiß, ich bin da komisch): mein Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeitsnetzwerk sind nicht so stark, also trainiere ich sie, aber gerade deshalb ist meine Leistung im Training auch so mäßig.
Auch das versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, wenn ich eine schwierige Phase in der Meditationspraxis habe, in der ich das Gefühl habe, was ich da im Sitzen mache, kann man gar nicht Meditation nennen.
Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ich die Meditation mit Anleitung mache oder ohne. Wenn ich mit Anleitung meditiere (ich habe da so ein paar Audiodateien), komme ich oft in einen sehr angenehmen und konzentrierten Zustand. Ohne Anleitung gelingt mir das nur sehr selten und es ist insgesamt viel anstrengender. Nur, für MBSR wird eigentlich empfohlen, die Anleitungen nur am Anfang zu nutzen und irgendwann ganz wegzulassen.
Das ist mein Ziel – irgendwann höchstens zur Erinnerung die Anleitung zu hören und sie sonst wegzulassen. Aber im Moment mache ich lieber einen Kompromiss: Ich meditiere mit Anleitung – weil ich so denke, dass ich mich überhaupt besser für‘s Meditieren motivieren kann, wenn ich weiß, es wird weniger anstrengend, und weil es auch einen stärkeren Effekt hat (was aber vom Prinzip her egal ist, es ist nicht das Ziel, mit Meditation in einen speziellen Zustand zu kommen).
Was auch einen starken Unterschied macht, ist, ob die Medikamente gerade wirken. Das ist sehr deutlich – es ist so viel leichter, wenn das Methylphenidat mir die Kraft gibt, meine Aufmerkamkeit bei so geringer äußerer Stimulation aufrechtzuerhalten. Weil ich das viel angenehmer finde, meditiere ich in letzter Zeit deshalb oft nicht morgens vor der Einnahme, sondern später am Tag. Aber ich frage mich, was bringt eigentlich mehr? Es wäre doch toll, gerade mein nicht-korrigiertes Gehirn zu trainieren? Vielleicht würde mich das von den Medis unabhängiger machen? Ich weiß es nicht so genau. Ein Beitrag voller unausgegorener Gedanken. Aber im Moment geht es auch viel um die Motivation, weiterzumachen – da denke ich mir, besser, ich meditiere irgendwie und irgendwann, als gar nicht, obwohl mein Ideal ein anderes ist.
Nach einer so langen Zeit ist es manchmal auch einfach so, dass ein Thema seinen Zauber verliert oder nicht mehr so spannend ist. Als ich damit angefangen habe, konnte ich problemlos 45min meditieren – weil es neu und spannend war. So funktioniert das ADS-Gehirn! Deshalb kann ich nur empfehlen, immer mal wieder ein MBSR-Buch zu lesen oder bei kleinen Meditationsworkshops oder -runden mitzumachen, um dem Thema neuen Reiz zu geben. Ich finde z.B. immer wieder mal neue Bilder, die mir beim Meditieren helfen, wenn ich auch mal in andere Bücher oder Anleitungen reinschaue. Vor kurzem bin ich z.B. darauf gekommen, dass man den eigenen Gedanken auch zuhören kann wie klassischer Musik – es gibt Dissonanzen, Harmonien, es wird lauter und leiser oder sogar still, dann mal wieder wild und pompös. Aber die Musik geht immer weiter, man sitzt im Konzertsaal und lässt sich einfach davon berieseln. Ich glaube, so ähnlich ist das beim Meditieren auch.
Also dann, steig hinab in deinen inneren Konzertsaal und halte Ausschau nach der Triangel – sie wird dir den Schlüssel zu deinem inneren BIOS geben… nein, im Ernst, viel Erfolg bei der Meditation 🙂
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