Eine Freundin sagte mir dies, als ich ihr eine Anekdote erzählte: Ich war aus irgendeinem Grund in der Charité, vielleicht weil ich in Berlin-Mitte war und aufs Klo wollte (das mache ich gerne in der Psychiatrie, höhö). Ich würde mal vermuten, ich habe eine besondere Bindung zur Charité. Es macht mich richtig glücklich, dort zu sein. Diese Gebäude! Alles ist so schön und so ruhig und vom Hauch der Geschichte, von medizinischer Exzellenz durchdrungen. Manchmal bin ich dort einfach so hingegangen, wenn ich in Berlin war, weil es mich angezogen hat, das Gelände bei der Friedrichstraße. Es gibt dort auch eine tolle Patientenbibliothek, in der ich ein enorm prägendes Buch fand.

Wie auch immer, an diesem Tag fand ich einen Eimer mit Blumen. So viele Blumen! In den tollsten Farben, Tulpen und andere… etwas welk waren sie schon, aber durchaus noch schön anzusehen. Mein Mentalizing macht aus den Pflanzen Persönlichkeiten. Dass sie leben, verleitet mich dazu, ihnen ungemeinen Wert zuzusprechen, und dann sind sie auch noch so wunderhübsch! Was für eine Verschwendung, dachte ich. Darum nahm ich sie mit. Aber ich musste sie verteilen. Das war klar: Die Blumen mussten in der Gegend verteilt werden. Es war das logischste überhaupt, gleich nach dem Assoziativgesetz. Und weil ich die Charité so mochte, wollte ich die mit Blumen schmücken; die Ärzte würden sich freuen. Ärzte sind cool und sollten beschenkt werden mit random Dankesbekundungen. So die Gedanken.

Ich lief also herum und verteilte überall Blumen an den Türen. Steckte sie irgendwo hin, wo sie hielten. Alles war verziert, ich hatte Blumen übrig für jedes Gebäude. Es war ein ruhiger Tag. Niemand sprach mich an. Aber ein Gedanke ließ mich die ganze Zeit nicht los: Sie werden denken, ich sei aus der Psychiatrie ausgebüchst.
Irgendwie fand ich das aufregend.

Und dann kommt meine Freundin und nimmt mir meine Sorgen: Ich habe nichts Verrücktes getan, oder vielleicht war es marginal verrückt, aber es spricht absolut nichts dagegen, es einfach als Kunst zu betrachten. Es braucht kein Mitleid, kein „haben Sie Ihre Neuroleptika genommen“, wenn ich in die Rolle der Künstlerin schlüpfe, die die Absicht hat, die Welt ein wenig schöner zu machen – zumindest, bis die Blumen verwelken.

Ich frage mich, was an dem Tag passiert ist. Hat es unter den Ärzten die Runde gemacht, die Sache mit den Blumen? Oder wurde dem gar nicht so viel Beachtung geschenkt? Was für Theorien für eine Erklärung kamen wohl auf? Beobachtete mich jemand dabei und dachte sich stillschweigend eine aus?

Ich erzählte die Anekdote einem Psychiater und bekam eine Einsicht vermittelt: Wenn jemand zwar kognitiv schon weit entwickelt, aber emotional noch ein Kind ist, macht es wohl Sinn, die Wünsche dieses „Kindes“ hin und wieder zu bedienen. Dabei gibt es auch so etwas wie eine sozial angemessene Seltsamkeit – siehe auch den Beitrag zum Exzentrischen Persönlichkeitsstil. Wenn ich das nun als Kunst betrachte, gibt mir das neues Vertrauen in die Stimmigkeit meiner Gedanken: Das ist keine inhaltliche Denkstörung, das ist Kreativität.

Und das geht noch weiter: Es gibt ja so etwas wie guerilla gardening. Der logische nächste Schritt nach dem Verzieren der Gegend mit Recycling-Schnittblumen. Aber wie geht das? Das muss ich noch herausfinden, denn bisher habe ich nur von so etwas geschwärmt, aber es noch nicht umgesetzt. Das wäre die ideale Schnittmenge von kindlicher Exzentrik und umweltschutzmäßiger Nützlichkeit, oder?