Nicht hinausgehen zur Fähre und zur Kirche, im letzten Moment umkehren, weil ich den ganz immensen Eindruck habe, jetzt, genau jetzt, sei der ideale Moment zu Schreiben, ja, jetzt könne ich den besten, fulminantesten Text meines Lebens produzieren – diese Art Stimmung liegt in der Luft zu Neujahr. Nicht schlecht, was?

Geradezu antimekarf hulidor ganga jo falli fangla, vielleicht werden es auch Lautgedichte. Ü o jamhahha flü flär flülop.

Ich las eine tolle Meta-Analyse und andere Meta-Analysen in letzter Zeit und denke mir mittlerweile, mit dem Lesen von Meta-Analysen kommt mensch als erkenntnissuchendes Wesen ganz gut über die akademischen Runden. Meta-Analysen sind der Badeschaum im Tümpel der Replikationskrise, sind die Essenz vieler Stunden, in denen wissenschaftliche Baby-Steps produziert wurden, fassen diese Baby-Steps zu größeren Steps, sodass unsere Neugier laufen lernt. (Ich sag ja, die sprachliche Virtuosität liegt in der Luft.)

Für alle, die nicht wöchentlich trockene Mittelwertstabellen studieren, Meta-Analysen nehmen Daten aus mindestens 5 Studien, die das Gleiche untersucht haben, und suchen nach dem größeren Trend darin. Irgendwie so. Damit gleichen sich eventuelle Unterschiede in der Methodik und der Stichprobenzusammensetzung hoffentlich aus und die Ergebnisse sind zuverlässiger, reliabler.

Ich las also eine Meta-Analyse, moment, ich muss sie noch zu Ende lesen, das mache ich während des Schreibens, yo.
Sie trägt den Titel: „Meta-analytic evidence for a robust and positive association between individuals’ pro-environmental behaviors and their subjective wellbeing“.

Robust and positive! Das sind nicht nur tolle Persönlichkeitseigenschaften, für Studien sind diese Eigenschaften ebenfalls exzellent. Es soll also eine Korrelation geben zwischen Umweltschutzverhalten und subjektivem Wohlbefinden, eine positive und robuste. Interessant finde ich nun, dass es anscheinend vier verschiedene Arten von subjektivem Wohlbefinden gibt.

Sie heißen

  • hedonic happiness
  • evaluative happiness
  • eudamonic happiness und
  • warm glow.

Hedonic happiness bezeichnet, wie glücklich wir in einem bestimmten Moment sind. Evaluative happiness spiegelt wider, wie zufrieden wir mit unserem Leben als Ganzes sind. Diese beiden sind nicht an bestimmte Taten oder das Empfinden von Sinn gebunden. Eudamonic happiness und warm glow dagegen schon: Ersteres gibt wider, wie sehr wir unser Leben als Ganzes als sinnvoll und bedeutsam („meaningful“) empfinden. Warm glow dagegen ist ein Glücksgefühl, das wir in dem Moment empfinden, wenn wir etwas tun, was wir für uns bedeutsam und sinnvoll halten oder daran denken, es zu tun. Klingt nicht wie ein wissenschaftlicher Begriff, oder? „Warm glow“… ein warmes Leuchten? Aber egal, Psycholog*innen geben ihren Konstrukten schon immer mal seltsame Namen. Naive Handlungstheorie, Persönlichkeitsstörung, Penisneid. (lacht in sich hinein)

(liest den Methodenteil)

(gähnt)

Nur zur Info: Es waren 78 Studien, die meta-analysiert wurden, in denen irgendwie der Zusammenhang zwischen einem oder mehreren umweltschützenden Verhaltensweisen und subjektivem Wohlbefinden untersucht wurde. Das Umweltschutzverhalten umfasste z.B. Konsumverhalten, Ernährungsweise, Energieverbrauch, kollektives Aktiv-werden und Müllvermeidung/Recycling. Nicht alle 78 Studien haben alle vier Arten von subjektivem Wohlbefinden untersucht, aber für jede der vier gab es immerhin 12 Studien oder mehr, genug, um jeweils eine Meta-Analyse zu machen.

Okay, was hat es jetzt auf sich mit der robust and positive association?

Nun, über alle Arten von Wohlbefinden und alle Studien hinweg ist es tatsächlich so: Umweltschützendes Verhalten korreliert signifikant positiv mit subjektivem Wohlbefinden. Die Höhe der Korrelation (r =0.24) ist für sich betrachtet zwar nicht groß (r kann höchstens 1 sein), aber für das Forschungsthema ist das schon ganz gut (in der Umweltpsychologie findet man einfach selten krasse Zusammenhänge, habe ich den Eindruck). Und vor allem: Mit geschickter Statistik haben die Autor*innen auch rausgefunden, dass das nicht am publication bias liegt (d.h. daran, dass Studien mit signifikanten Zusammenhängen eher veröffentlicht werden und andere in Schubladen verschwinden) und wahrscheinlich auch nicht an unterschiedlichen Zusammensetzungen der Stichproben und anderen methodischen Unterschieden.

(liest den Teil mit den vielen Zahlen)

(puuh)

Und wo kommt nun der Sinn, die Bedeutung ins Spiel? In den neun weiteren Mini-Meta-Analysen, die nun gemacht wurden (die armen Leute, die das alles ausrechnen mussten, ey). Nun, der Zusammenhang bzw. die Korrelation zwischen Umweltschutzverhalten und subjektivem Wohlbefinden war unterschiedlich stark, je nachdem, welche Art Wohlbefinden es war. Bei dem „warm glow“, also dem Glücksempfinden, was wir in einem Moment sinnerfüllten, bedeutungsvollen Handelns haben, war der Zusammenhang mit Abstand am höchsten (r=.40). Der zweithöchste ergab sich für eudamonic happiness, der langfristigen Wohlbefindens-Variante mit Sinnkomponente (r=0.24).

(liest den Diskussionsteil)

(hat Aha-Momente)

Was sagen die Forschenden zu diesen Zahlen?
Vieles!
Zunächst eine, wie ich finde, erfreuliche Ansage: Es gibt deutliche Hinweise, dass umweltschützendes Verhalten das subjektive Wohlbefinden erhöht, weil Menschen es als sinnvoll wahrnehmen. Das ist zumindest eine naheliegende Interpretation, aber aus dem Aufbau der Studie schlussfolgern kann man das nicht direkt – könnte es nicht sein, dass Menschen, die sich gerade sinnverfüllt und glücklich fühlen, sich denken „yey, heute mal Falafel statt Döner“? Sagen wir, es ist nicht auszuschließen und es gibt auch Studien, deren Ergebnisse genau das nahelegen. Ich habe den Eindruck, die Forschenden können sich auch gut vorstellen, dass beides stimmt. Das könnte dann sogar in einer fantastischen Feedback-Schleife münden: Menschen verhalten sich umweltschützend, dann fühlen sie sich besser, und daraufhin haben sie noch mehr Bock auf Umweltschutz. Aber die erste Interpretation ist schon auch sehr plausibel.

Eine Verhaltensweise fiel übrigens aus dem beobachteten Muster raus: Zwischen kollektiver Aktion, d.h. politisch aktiv werden und so, und dem subjektiven Wohlbefinden war der Zusammenhang nicht signifikant. Die Forschenden vermuten, dass das daran liegt, dass negative Gefühle wie Ärger auch entscheidend sind, damit Menschen aktiv werden. Es ist also vielleicht eine Mischung aus positiven und negativen Emotionen in dem Fall. Wenn man sich außerdem ansieht, bei welchen Verhaltensweisen der Zusammenhang besonders hoch ist – Konsumverhalten liegt an der Spitze, gefolgt von Ernährung und Energieverbrauch – liegt die Idee nahe, dass das Umweltschutzverhalten eine bewusste Entscheidung sein muss, damit das Erleben von Sinn und Wohlbefinden steigt.

Und, was denkst du? Nichts Neues, vielleicht? War die aufwändige Analyse das Ergebnis wert? Vielleicht denkst du auch: Wie übertrieben cool, jetzt können wir argumentieren, dass ein paar Verhaltensänderungen eben doch nicht Verzicht, Askese, Aufwand und Selbstzerfleischung bedeuten (oder was auch immer manche Menschen denken, wenn sie „Umweltschutz“ hören), sondern dass der ganze Kram laut Wissenschaft sogar glücklich macht.

Das denken auch die Autor*innen der Studie. Da Umweltprobleme durch menschliches Verhalten bedingt sind, machen Verhaltensänderungen, um das anzugehen, Sinn. Das liegt zwar auch in der Verantwortung der Individuen, aber wenn kein Zug fährt, kann man auch nicht auf’s Auto verzichten, sprich, die Anreize von außen müssen auch stimmen und das Verhalten möglich machen. Politiker*innen sind hier gefragt und die Forschenden sagen: Vielleicht können Studien wie diese dazu beitragen, dass Politiker*innen keine Angst mehr haben, ihre Wähler*innen durch Umweltschutz-Maßnahmen griesgrämig, grummelig und grantig zu machen. Im Gegenteil, es könnte eine win-win-Situation sein, mit sinnerfüllten, innerlich warm leuchtenden Menschen, die was für die Umwelt tun.

Spielt das freie Entscheiden da nicht auch eine Rolle, denke ich mir? Wenn das Verhalten nicht mehr intrinsisch motiviert ist, klappt das mit dem subjektiven Wohlbefinden dann immer noch?
Wäre eine Überlegung wert, und natürlich wäre es auch die Lektüre weiterer interessanter Studien wert. Aber die eine reicht für heute.

Frohes Neues, ich schreibe jetzt zehn mal 2021, damit ich mich ein bisschen dran gewöhne.

2021 2021 2021 2021 2021 2021 2021 2021 2021 2021


Hier findest du die Studie

Ich kann auch APA-Style 👇🏾 😎

Zawadzki, S. J., Steg, L., & Bouman, T. (2020). Meta-analytic evidence for a robust and positive association between individuals’ pro-environmental behaviors and their subjective wellbeing. Environmental Research Letters, 15(12), 123007.