Nachhaltigkeit, Neurodiversität, Nonsens

Schlagwort: Kopfchaos

Der Degrowth-Dialog

Ich klopfte an sein Fenster. Lian kam nach einigen Sekunden und stieß die Gardinen beiseite. Er sah, dass ich es war und machte das Fenster auf. Die langen Blätter der Topfpflanzen umrahmten seine Gestalt.
„Julai?“
„Lian, ich brauche deine Hilfe. Passt es dir gerade?“
Lian runzelte die Stirn und drehte sich zu seinem Schreibtisch um.
„Heute Abend würde ich gerne noch ein bisschen lernen. Aber zwei Stunden habe ich.“
Er schob die große Avocadopflanze beiseite. Ich zog meine Sandalen aus und stieg geschwind auf die Fensterbank. Lian lächelte mich an und ich stieg hinab in sein Zimmer.
„Wie geht es dir?“, fragte ich.

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Ad Absurdum III: Das Fehlen von Nähe

Zur Vorgeschichte siehe hier und hier.

Die Nähe wollte sich nicht einstellen.
Julai saß auf einer Platane und streichelte die Rinde des Baumes. Sie fand, dass der Baum mehr lebte als das Bild von Lian, das die in ihrem Kopf hatte, oder das Gefühl ihm gegenüber, oder die Hand, mit der sie den Baum streichelte. Der Baum hat es gut, dachte sie. Sie würde gerne Zucker aus Wasser, Licht und CO2 machen, aber das war nicht der Punkt; der Baum hatte kein Gehirn, und Julai fand das Konzept Gehirn zwar genial, aber doch sehr störanfällig und instabil.

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Ad absurdum II: Sentient

Zur Vorgeschichte geht es hier.

Sehen beinhaltet mehr als die Augen.
Julai vermisste ihre Kindheit. Es hatte nach Kiefernnadeln gerochen in ihrer Kindheit.
Irgendwoher stülpte sich das Bild eines Hauses über sie. Ein Haus umgeben von Kiefernnadeln. An einem See. Dunkel. Klein. Weltsicht.
Vielleicht hatte sie das geträumt? Oder es war eine Erinnerung aus ihrer Kindheit, so tief vergraben in der Rumpelkammer ihrer Erinnerung wie fünfzig Jahre alte Kronkorken am Strand? Sie konnte den Unterschied nicht feststellen, noch nicht einmal ansatzweise. Julai besaß keine Kontrolle über ihr Gedächtnis. Alles zersetzte sich einfach, wie Plastiktüten sich im Meer zersetzen, bis die kleinen Teile nicht mehr zu sehen sind. Das machte ihr erstaunlich wenig aus.

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Warum AD(H)S manchmal in der Seele weh tut

AD(H)S tut manchmal in der Seele weh. Warum? Manche Leute teilen mir angenehmerweise mit, dass sie es nicht nachfühlen können, weil sie ein anderes Gehirn haben. Auch wenn das, was ich beschreibe, sich so anhört, als würden sie es kennen. Manch andere verstehen es nicht – „Konzentrier dich doch einfach!“ – ja, wie? „Indem du dich konzentrierst!“.
AD(H)Sler fühlen sich oft ziemlich missverstanden.

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Allys und das Orakel vom Bonhoefferweg

Allys hatte einen weiten Weg vor sich. Sie hatte es bereits erahnt, bevor er begonnen hatte (Oder hatte sie da gerade Anlauf genommen, bevor sie die Flügel ausspannte, um zu fliegen? Vermutlich).
Auf einer Wiese liegend, war Allys einem Spiel gefolgt. Es ging darum, sich ein Tier vorzustellen. Mit geschlossenen Augen, neben ihr lagen andere Jugendliche im Gras, ließ Allys ihre Gedanken schweifen, und diese waren voll Frieden und Natur. Ihr erschienen Landschaften, und spontan materialisierte sich vor ihrem inneren Auge das Bild einer trockenen Wiese. Irgendwo auf dem flachen Land könnte es sein, in Brandenburg, am Rand war eine Allee zu sehen. Die Pflanzen auf der Wiese, vor allem Gräser, wucherten wie wildes, zerzaustes Haar. Große, üppige, verblichene, magere, Sonne aufnehmende Pflanzen bildeten ein undurchsichtiges Meer, das Allys in seiner Bewegung beobachtete.

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Ausflug ins Paralleluniversum? – Über Dissoziation

Lebhafte Träume. Lebhafte Realität. Leben. Wir haben 86 Milliarden Nervenzellen im Kopf. Fast so viele, wie die Milchstraße Sterne hat.

Was ist Traum, was ist real?
Das frage ich mich manchmal, wenn sich eine Phase der Depersonalisation-Derealisation anbahnt. Das ist so ein umständlicher Begriff, jedenfalls fällt es im Katalog psychischer Besonderheiten unter die Kategorie Dissoziation. In der Chemie ist das wohl so ein Vorgang, bei dem sich chemische Verbindungen in mehrere Moleküle oder Atome teilen. Wenn das im Kopf passiert, heißt das, dass Identität, Wahrnehmung, Bewusstsein irgendwie auseinanderfallen.

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Meditieren mit ADS

Der Gedanke, diesen Beitrag zu schreiben, kam mir während des Meditierens. Ob man das dann noch Meditation nennen kann? Ich würde sagen, ja. Irgendwelche Gedanken dabei zu haben, ist völlig normal. Jedenfalls hatte ich mich hingesetzt, einen Timer eingestellt und ich starrte vor mich hin mit der starken Intention, zu meditieren. Beinah jeden Morgen mache ich das.
Meditation, das ist die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt. Immer wieder. Das Ding ist nur, Lenkung der Aufmerksamkeit, uuh, das ist gerade das, woran es hapert beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.

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Bahnfahrt, sehr scharf

Gestern habe ich erfahren, dass Bahnfahren sehr anstrengend sein kann.
Eigentlich liebe ich Bahnfahren. Ich kann gar nicht verstehen, warum sich Leute so viel über die Bahn aufregen. Obwohl, seit ich etwas gelesen habe über die Ursachen von Stress, kann ich es schon verstehen. Es gibt ja positiven und negativen Stress. Wenn jemand zum Beispiel eine Hausarbeit schreiben muss und die ganze Nacht durcharbeitet, um fertig zu werden, und das Thema ist doof und der Zeitdruck ist groß, fühlt dieser Jemand sehr wahrscheinlich Stress.

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Meeresgrund

Ich machte die Augen auf und fand mich am Meeresgrund wieder.
Wie war ich hierhergekommen?
Du bist schon etwas länger hier, sagte ein vorbeikommender Fisch.
Ach, dachte ich, und Fische können nicht sprechen, vielleicht hab ich das gerade zu mir selbst gesagt. Aber stimmt wohl. Um mich her – sich verlierende Blauschwärze. Unter meinen Füßen beigefarbener Sand. Ich bin schon etwas länger hier.

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Hyolluwisix

Sie wurde an der Hand genommen. Es war nicht ihre Hand, die genommen wurde. Zu wem gehört dieser Körper eigentlich? Ich habe einen Körper. Sie kann es nicht fassen. Niemand hat ihr gesagt, dass sie das gefälligst für selbstverständlich nehmen soll.
Sie ist Aktivistin. Heute lag sie in einem Graben. Ihr Fahrrad stand daneben. Und sie konnte sich keinen Fleck rühren.
Wie auch. Es ist Winter. Sie war vor Winters aus der Welt geflohen, die Welt ein Tor zu tausend Wüsten… Und sie rief ihm zu, und es blieb stumm, und sie fing an zu tanzen, und es blieb kalt, und sie stellte Fragen, und blieb ein Narr.
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